Wer ins Paradies will, muss manchmal durch die Hölle gehen: So jedenfalls erlebten es die Schülerinnen und Schüler der 10a und 10b auf ihrer Klassenfahrt nach Danzig in Polen: Am vorletzten Tag der Klassenfahrt besuchten sie die malerischen Strände von Hel, einem Badeort, der auf einer Landzunge vor der Danziger Bucht gelegen ist. Allerdings musste zuvor eine knapp zweistündige Schifffahrt ertragen werden, bei der einige ihr Frühstück über Bord gehen ließen.

Vom Danziger Altstadtanleger aus ging es mit einem motorisierten Katamaran entlang der Mottlau und Weichsel in die Danziger Bucht. Kaum war die schützende Mole verlassen, stürmten von Steuerbordseite die Wellen auf das schaukelige Boot ein. Der letzte Sturm der Nacht hatte sich an diesem frühen Sonnabendmorgen noch nicht verzogen und wirbelte mit knapp fünf Windstärken die Nordsee-Bären von der Wesermündung auf der Ostseebucht ziemlich umher. Frau Gewinn und Herr Lange hielten gemeinsam mit fünf seefreudigen Jungs Wache an Oberdeck. Herr Ringat schaute unter Deck den restlichen Schülern beim Sprinten zur Toilettenkabine zu. Während also unter Deck das große Göbeln begann und knapp eine Stunde andauern sollte, freuten sich die Schüler über Deck über die hereinbrechenden drei Meter hohen Wellen, die Mittel- und Achterdeck fluteten und die wackeren Seetüchtigen auf dem Oberdeck mit salziger Gischt bespritzten. So manch ein unachtsamer Schüler war zu dieser Stunde bereits klatschnass.

In Hel angekommen wurde der knapp zwei Kilometer breite Landstreifen überquert. Am Ende eines kleinen Waldes wartete dann einer der schönsten Strände Europas: Meilenweit zog sich der helle Sandstrand hin, Dünen begrenzten ihn auf der Landseite und von Norden rauschte grün mit weißer Gischt die Ostsee heran. Dieses Bild entschädigte viele für die beschwerliche Überfahrt. Allerdings: Bis die Rücktour wieder mit dem Schiff angetreten werden konnte, musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Der Sturm hatte sich aber gelegt, und die Rückfahrt glich eher einer Kaffeefahrt für Senioren über ein kleines Binnengewässer. Die achttägige Klassenfahrt in die alte Hansestadt Danzig hielt für die beiden Abschlussklassen eine Menge lehrreiche Erfahrungen bereit. Dazu zählte nicht nur der Besuch der Marienburg dem Hauptsitz des Deutschen Ritterordens und zugleich größte Backsteinburg Europas, oder eine Führung im ehemaligen Konzentrationslager Stutthof nahe dem Frieschen Haff an der Grenze zu Russland (Königsberg), sondern auch die physikalische Erkenntnis, dass Lastenaufzüge nur eine begrenzte Kapazität haben. Mit elf Personen in einem Achtmann-Aufzug – genau genommen 160 Kilo zu viel – blieb ein Viertel der Reisegesellschaft im Hotelaufzug zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk stecken und musste von einem herbeieilenden Mechaniker befreit werden. Folge: eine kleine Panikwelle, frühe Bettruhe und viel Treppensteigen in den kommenden Tagen.

Vorausgegangen war ein sehr unterhaltsamer Bowlingabend in einer neuen Businessanlage etwas außerhalb Danzigs. Auf fünf Bahnen wurden die Pins regelmäßig abgeräumt. Strikes wurden anerkennend beklatscht, Fehlwürfe schadenfroh bejubelt. Gute Stimmung herrschte auch an den anderen Abend: sei es in einer Pizzeria am Strand oder beim Kartenspielen in der Unterkunft. In dem Schulungszentrum, in dem die beiden Klassen untergebracht waren, standen eine Sitzecke und eine Gemeinschaftsküche zur Verfügung. Hier konnte auch gekocht werden – allerdings mit Hindernissen. Denn die hervorragend möblierte Küche besaß in den Schränken – nichts! Zwei kleine Pfannen und Töpfe, ein Brotmesser und ein (!) Esslöffel waren alles, was zu finden war. Und trotzdem hat es Frau Gewinn jeden Tag geschafft, gemeinsam mit den Schüler-Küchenteams die ganze Meute von knapp 40 Personen satt zu bekommen. Respekt!

Kulturprogramm gab es auf dieser Bildungsreise natürlich auch eine ganze Menge: Auf Spuren der (deutschen) Geschichte stieß man an jeder Ecke, angefangen bei der Hanse über die Spuren des Zweiten Weltkriegs bis hin zum großartigen Wiederaufbau der Stadt durch polnische Restauratoren. Das alte Werkstor der Leninwerft wurde im Vorbeifahren angesehen, dem Ort, an dem die Solidarnosch-Bewegung für den Beginn des Zerfalls des Ostblocks sorgte. Das Denkmal der Westerplatte war auf der Schifffahrt zu sehen – es erinnert an den Kriegsanfang 1939 mit Schüssen des Panzerkreuzes Schleswig-Holstein auf das polnische Munitionsdepot. Die Kathedrale von Gdansk-Oliva wurde besichtigt und ein Orgelkonzert der zweitgrößten Orgel Europas besucht. Zum Ausgleich gab es Freizeit am Strand und auf der Seebrücke von Sopot, am Strand vor dem Hotel und natürlich zum Einkaufen in der Innenstadt. „H & M“ war natürlich ein Muss – ist aber genauso teuer wie in Deutschland. Dafür waren die Preise bei McDonalds deutlich niedriger. Wer mit mehr Lokalbezug einkaufen wollte, konnte in der Frauengasse an unzähligen Juwelierständen Bernsteinschmuck auswählen oder in einer der kleinen Imbisseinrichtungen Fisch oder Bigos essen. Danziger Goldwasser oder polnischer Büffelwodka mussten leider im Regal bleiben…

Wer am Abend noch nicht genug hatte, konnte sich – zumeist im kleinen Kreis – eine von „Gussmanns großen Geschichten“ anhören. Robert Gussmann war der Reiseleiter des Berliner Reiseunternehmens, mit dem die beiden Schulklassen in das östliche Nachbarland aufgebrochen sind. Der Deutsche polnischer Abstammung war super hilfsbereit, immer zur Stelle, wo Unterstützung oder Übersetzung nötig war, referierte über historische Zusammenhänge, brachte Anekdoten ein oder sorgte mit Witzen für Heiterkeit. Und dann gab es da noch seine großen Visionen und Theorien, die er preisgab. Beispielsweise von der Gründung einer Partei zur Durchsetzung der direkten Demokratie oder die Theorie, Mülltrennung sei ein menschliches Verhalten, wie Hühner es vor der Schlachtbank zeigten: Nervös scharren zur angeregten Tätigkeit, ohne dem eigentliche Fanal entgehen zu können… Interessant und unterhaltsam war das auf jeden Fall.

Großes Glück hatten die Klassen auch mit den Busfahrern Andreas und Micha aus Schmalkalden (das Busunternehmen war von Herrn Gussmann bestellt worden). Sie machten jeden Spaß (und jede Laola-Welle im Bus) mit, waren immer bereit, die Gruppe in die Stadt zu fahren, brachten das nötige Maß an Strenge und Nachsicht auf und führten alle am frühen Montagmorgen sicher wieder zurück an die Unterweser.
Dass Danzig mit knapp einer halben Million Einwohner doch etwas größer geraten ist als Nordenham, entdeckten auch Lea und Daphne, die ihre Kleingruppe verloren hatten und fast zwei Stunden durch die Stadt irrten. Nach ihrer deutlich verspäteten Ankunft im Hotel waren die beiden erstmal für niemanden zu sprechen. Erst später am Abend hörten die Klassenkameraden die Geschichte von „Lost Lea“.

Die Klassenfahrt nach Polen war bestimmt nicht alltäglich. Eine Schülerin bilanzierte: „Insgesamt betrachtet war die Klassenfahrt eine kleine Herausforderung der seelischen und körperlichen Verfassung und DAS Ereignis 2008!“ Das Abenteuer wird vielen noch lange in Erinnerung bleiben – spätestens beim nächsten Fahrstuhlfahren.

   

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